Stereosehen (Stereopsis)
Stereosehen oder auch Stereopsis ermöglicht es unserem visuellen System, die Welt in drei Dimensionen (3D) zu sehen und Tiefe wahrzunehmen. Dies geschieht, indem die leicht verschiedenen Bilder, die jedes Auge erfasst, zu einem einzigen dreidimensionalen Bild kombiniert werden. Diese Funktion ermöglicht es uns, Entfernungen einzuschätzen und räumliche Beziehungen zu verstehen.
Stereosehen im Detail erklärt
Das Stereosehen ist ein faszinierender Aspekt unseres visuellen Systems, der die Tiefe und räumliche Dimension unserer Umgebung erlebbar macht.
Hier sind die Schlüsselkomponenten und wie das Stereosehen funktioniert:
Binokulares Sehen
Das Stereosehen beruht auf dem binokularen Sehen, also dem Sehen mit beiden Augen. Jedes Auge sieht ein leicht unterschiedliches Bild, da es aus einem leicht anderen Winkel auf die Welt blickt. Die kleine Differenz zwischen den beiden Bildern wird Disparität genannt.
Fusion
Die von beiden Augen aufgenommenen, leicht unterschiedlichen, Bilder werden im Gehirn zu einem einzigen dreidimensionalen Bild zusammengefügt. Dieser Prozess wird als Fusion bezeichnet und erfolgt in der Sehrinde. Das ist der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung visueller Informationen zuständig ist.
Beurteilung von Tiefe und Entfernung
Durch die Fusion der beiden Bilder kann das Gehirn die Tiefe und Entfernung von Objekten beurteilen. Dies ermöglicht es uns, zu erkennen, wie weit entfernt oder wie nahe ein Objekt ist und trägt zu unserem räumlichen Verständnis bei.
Stereoakuität
Die Fähigkeit, kleine Unterschiede in der Tiefe wahrzunehmen, wird als Stereoakuität bezeichnet. Eine hohe Stereoakuität bedeutet, dass eine Person auch minimale Unterscheide in der Tiefe erkennen kann. Dies ist besonders bei Aktivitäten wichtig, bei denen vermehrte Tiefenwahrnehmung erforderlich ist, wie beispielsweise beim Autofahren oder bei verschiedenen Sportarten.
Auswirkungen auf die tägliche Wahrnehmung
Das Stereosehen beeinflusst erheblich unsere tägliche Wahrnehmung und Interaktion mit der Umwelt. Es hilft uns, sicher durch die Welt zu gehen, indem es uns ermöglicht, Entfernungen korrekt einzuschätzen, Hindernissen auszuweichen und Handlungen zu koordinieren, die eine exakte räumliche Beurteilung erfordern.
Das Stereosehen ist ein komplexes, aber wesentliches Merkmal unseres Sehvermögens, das eine reichhaltige und detaillierte Wahrnehmung der Welt um uns herum ermöglicht. Es ist ein erstaunliches Zusammenspiel zwischen unseren Augen und unserem Gehirn, das einen präzisen räumlichen Seheindruck ermöglicht.
Wie kommt es zu Störungen beim Stereosehen?
Störungen des Stereosehens können durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, die entweder die Augen selbst oder die Verarbeitung von visuellen Informationen im Gehirn betreffen.
Hier sind einige häufige Ursachen und Bedingungen, die das Stereosehen beeinträchtigen können:
Binokulare Störungen
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Schielen (Strabismus): Schielen ist eine Störung, bei der die Augen nicht richtig ausgerichtet sind und in unterschiedliche Richtungen schauen. Dies beeinträchtigt die Fähigkeit des Gehirns, die Bilder von beiden Augen zu einem dreidimensionalen Bild zu fusionieren.
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Amblyopie (Träges Auge): Amblyopie ist eine Sehschwäche in einem Auge, die auftritt, wenn das Gehirn lernt, das schwächere Auge zu ignorieren und nur das stärkere Auge zu verwenden. Dies beeinflusst das Stereosehen negativ, da beide Augen für eine korrekte Tiefenwahrnehmung benötigt werden.
Augenerkrankungen
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Grauer Star (Katarakt): Der Graue Star ist eine Augenerkrankung, bei der sich die Augenlinse eingetrübt. Das beeinträchtigt die Qualität der visuellen Informationen, die an das Gehirn weitergeleitet werden und stört somit das Stereosehen.
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Netzhauterkrankungen: Erkrankungen der Netzhaut wie eine Makuladegeneration oder Diabetische Retinopathie wirken sich negativ auf die zentrale Sehschärfe aus und stören das Stereosehen.
Neurologische Störungen
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Hirnverletzungen: Verletzungen des Gehirns, insbesondere des visuellen Kortex, können die Verarbeitung der binokularen Informationen und damit das Stereosehen beeinträchtigen. Der visuelle Kortex ist der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung visueller Informationen zuständig ist.
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Neurologische Erkrankungen: Zustände wie Multiple Sklerose oder die Parkinson-Krankheit können die visuelle Verarbeitung im Gehirn stören.
Korrektive Massnahmen
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Unzureichende Korrektur von Fehlsichtigkeiten: Eine unzureichende Korrektur von Fehlsichtigkeiten durch Brillen oder Kontaktlinsen kann ebenfalls das Stereosehen beeinträchtigen.
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Monovision: Monovision ist eine Methode zur Korrektur der Alterssichtigkeit (Presbyopie), bei der ein Auge für die Fernsicht und das andere Auge für die Nahsicht korrigiert wird. Monovision kann jedoch das Stereosehen beeinträchtigen, da für ein optimales Stereosehen beide Augen gut korrigiert und auf die gleiche Entfernung fokussiert sein müssen.
Andere Faktoren
- Alter: Mit dem Alter verändern sich die Strukturen des Auges und die visuelle Verarbeitung im Gehirn, was zu einer Störung des Stereosehens führen kann.
Wie wird Stereosehen getestet?
Das Testen des Stereosehens ist ein wichtiger Bestandteil der Augenuntersuchung, insbesondere bei Kindern, um mögliche Sehprobleme frühzeitig zu identifizieren.
Es gibt verschiedene Tests und Methoden, um das Stereosehen zu überprüfen:
Lang-Stereotests
Lang-Stereotests sind eine Reihe von Tests, die entwickelt wurden, um Stereosehen ohne spezielle Brillen zu testen. Sie verwenden stereoskopische Platten mit eingebetteten Bildern, die in einer bestimmten Tiefe erscheinen. Bei diesen Tests muss der Proband bestimmte Objekte identifizieren oder die Tiefe der eingebetteten Bilder beurteilen. Die Lang-Stereotests sind einfach durchzuführen und benötigen keine zusätzlichen Hilfsmittel wie 3D-Brillen, was sie für die Anwendung in verschiedenen Umgebungen wie in Schulen oder Kliniken praktisch macht.
3D-Sehtest
Bei 3D-Sehtests werden spezielle 3D-Brillen und stereoskopische Bilder oder Videos verwendet. Dabei wird die Fähigkeit des Probanden getestet, dreidimensionale Objekte korrekt zu sehen und Tiefe wahrzunehmen. Diese Tests können sowohl auf Papier als auch digital auf einem Computerbildschirm durchgeführt werden. Sie helfen, die Qualität des Stereosehens zu bewerten und mögliche Störungen der binokularen Vision zu identifizieren.
Gesichtsfeldtest
Das Gesichtsfeld ist der gesamte Bereich, den das Auge bei ruhigem Kopf erfassen kann, einschliesslich des zentralen und des peripheren (Rand-)Sehbereichs. Auch wenn der Gesichtsfeldtest nicht direkt das Stereosehen misst, ist er ein wichtiger Test zur Beurteilung des allgemeinen Sehvermögens. Bei einem Gesichtsfeldtest wird das gesamte Sichtfeld des Probanden überprüft, indem Lichtblitze in verschiedenen Bereichen des Sichtfelds angezeigt werden und der Proband aufgefordert wird, anzugeben, ob er diese sieht. Eine eingeschränkte periphere Sicht oder Gesichtsfelddefekte können auf Probleme hinweisen, die das Stereosehen beeinflussen.
Titmus-Test
Der Titmus-Test ist ein klassischer Stereotest, der die Fähigkeit zur Tiefenwahrnehmung misst. Er besteht aus einem Satz von 3D-Bildern, die in einem speziellen Viewer oder auf Karten präsentiert werden. Die Bilder enthalten versteckte Details, die nur sichtbar sind, wenn beide Augen korrekt zusammenarbeiten, um die stereoskopische Information zu verarbeiten.
Eine der bekanntesten Darstellungen im Titmus-Test ist die eines fliegenden oder springenden Frosches. Der Proband wird aufgefordert, die Tiefeninformation in den Bildern zu identifizieren, wie z. B. welche Teile der Bilder vorne oder hinten sind oder in welcher Tiefe bestimmte Objekte erscheinen. Die Fähigkeit, diese Details korrekt zu identifizieren, gibt Aufschluss über die Qualität des Stereosehens und die Fähigkeit zur Tiefenwahrnehmung.