Neovaskularisation
Neovaskularisation ist eine Augenerkrankung, bei der es zu neu gebildeten Blutgefässen im Bereich der Netzhaut kommt. Diese beeinträchtigen die Transparenz der Hornhaut und somit das Sehen. Das Tragen von Kontaktlinsen kann eine mögliche Ursache dafür sein und im schlimmsten Fall kann die Erkrankung zur vollständigen Erblindung führen.
Neovaskularisation im Auge einfach erklärt
In der Augenheilkunde wird die krankhaft bedingte Bildung neuer Blutgefässe im Auge als choroidale Neovaskularisation (CNV) bezeichnet. Zu der Gefässneubildung kommt es, da eine Unterversorgung des Auges mit Nährstoffen und Sauerstoff vorliegt. Der Körper reagiert darauf, indem er neue Blutgefässe bildet, die das Auge versorgen sollen.
Zwischen der Netz- und Lederhaut befindet sich die Aderhaut, die massgeblich für die Nährstoffversorgung der Netzhaut zuständig ist. Aufgrund verchiedener Ursachen kann diese Versorgung eingeschränkt werden, woraufhin der Körper die Neovaskularisierung einleitet. Die neuen Blutgefässe “wuchern” in die Netzhaut ein und können Ödeme sowie lipidhaltige Ablagerungen verursachen.
Eine ausgeglichene Nährstoffversorgung der Netzhaut, insbesondere der Makula, ist für unsere Sehschärfe essenziell. In der Netzhaut befinden sich die Sehsinnszellen, mit denen wir Farben, Konturen und Helligkeitsunterschiede wahrnehmen können. Hauptsächlich in der Makula, in der Mitte der Netzhaut, befinden sich die meisten Fotorezeptoren – sie ist der Punkt des schärfsten Sehens im Auge.
Deshalb reagiert der Körper auf eine Unterversorgung der Netzhaut so sensibel und bildet ein neues Adergeflecht. Dies führt allerdings zu einer raschen Einschränkung des Sehvermögens. Die Transparenz der Hornhaut kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Bleibt die choroidale Neovaskularisation unbehandelt, kann sie zur vollständigen Erblindung führen.
Kontaktlinsen als Ursache von Neovaskularisation
Falsch angepasste Kontaktlinsen können die Ursache einer choroidalen Neovaskularisation sein. Die Kunstlinsen gibt es in verschiedenen Materialien, die sich unterschiedlich auf dem Auge verhalten. Weiche Kontaktlinsen saugen sich regelrecht auf dem Augapfel fest, was für einen besonders guten Halt sorgt. Allerdings schränken sie die Nährstoffversorgung und den Sauerstofftransport des Auges stark ein.
Harte Kontaktlinsen schwimmen dagegen auf dem Tränenfilm auf und sollen so eine bessere Versorgung gewährleisten. Werden sie allerdings nicht richtig angepasst oder aus minderwertigem Material hergestellt, können sie den Transport von lebenswichtigen Nährstoffen fürs Auge ebenso stören.
Bemerkt man dies zu spät, bildet der Körper neue Blutgefässe im Auge, um die Mangelversorgung auszugleichen und eine choroidale Neovaskularisation entsteht. Es ist als Kontaktlinsenträger daher umso wichtiger, die Anpassung bei einem Spezialisten vorzunehmen und regelmässige Kontrollen wahrzunehmen.
Weitere Ursachen von Neovaskularisation
Neben dem Tragen von Kontaktlinsen gibt es noch weitere Ursachen für eine Neovaskularisation im Auge.
Altersbedingte Makuladegeneration
Die häufigste Ursache einer choroidalen Neovaskularisation ist eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Während des Stoffwechsels in der Makula fallen Abbauprodukte an, die normalerweise über eine darunter liegende Gewebeschicht (retinale Pigmentepithel) abgeleitet werden. Mit zunehmendem Alter kommt es zu Stoffwechselstörungen in der Makula und die Abbauprodukte lagern sich in ihr ab.
Man unterscheidet zwei verschiedene Formen der Makuladegeneration. Zum einen gibt es die trockene AMD, bei der es zum Absterben der Zellen im retinalen Pigmentepithels sowie der Netzhaut kommt. Diese Form schreitet recht langsam voran und die Sehleistung kann bei den Betroffenen trotz Erkrankung noch lange erhalten bleiben.
Zum anderen gibt es die feuchte AMD (neovaskuläre AMD), welche zwar seltener vorkommt, aber dafür schneller voranschreitet und bis zur Erblindung führen kann. Aufgrund der Funktionsstörung der Zellen in der Netzhaut werden Wachstumsfaktoren ausgeschüttet, welche die Bildung neuer Blutgefässe fördern. Diese Form wird auch als makuläre Neovaskularisation bezeichnet (MNV).
Kurzsichtigkeit
Die sogenannte myope choroidale Neovaskularisation (mCNV) wird durch eine starke Kurzsichtigkeit (Myopie) ausgelöst. Bei dieser Fehlsichtigkeit ist der Augapfel länger als gewöhnlich, weshalb der Brennpunkt der einfallenden Lichtstrahlen vor der Netzhaut liegt und somit ein unscharfes Bild für Objekte in der Entfernung entsteht.
Diese Unschärfe wird mit einer vom Augenarzt oder Optiker angepassten Sehhilfe korrigiert. Liegt eine sehr stark ausgeprägte Kurzsichtigkeit vor, kann diese die Netzhaut schädigen. Die einzelnen Gewebeschichten des Auges werden durch den verlängerten Augapfel unnatürlich gedehnt. Dies kann zu Rissen in der Netzhaut und der Aderhaut führen, wodurch es zu einer Störung der Nährstoffversorgung kommen kann.
Der Körper schüttet dann vermehrt den Botenstoff VEGF („Vascular Endothelial Growth Factor“, dt.: „Vaskulärer Endothelialer Wachstumsfaktor“) aus. Dadurch entstehen in der Netzhaut neue Blutgefässe, die die Mangelversorgung ausgleichen sollen. Die myope choroidale Neovaskularisation ist in Europa die siebthäufigste Erblindungsursache und sollte deshalb in der Behandlung nicht unterschätzt werden.
Augenerkrankungen
Selten können bestimmte Augenerkrankungen die Ursache für eine Neovaskularisation im Auge sein. Dazu zählt unter anderem die Erkrankung „Angioid Streaks”. Dabei kommt es zu Verletzungen der Bruch-Membran, die sich zwischen der Ader- und der Netzhaut befindet. Diese Einrisse bilden sich als gefässähnliche, rot-bräunliche Streifen ab und beeinträchtigen das Sehvermögen stark.
Aufgrund eines Unfalls, bei dem es zu grossem Druck auf den Augapfel kommt, kann es zu einer Ruptur der Aderhaut kommen. Dabei handelt es sich um eine mechanische Zerreissung des retinalen Pigmentgewebes sowie der Aderhaut, wodurch es zu Einblutungen in die Netzhaut kommt.
Aber auch alle anderen Augenerkrankungen, bei denen der Augenhintergrund betroffen ist, können zu einer Unterversorgung der Netzhaut mit Sauerstoff und Nährstoffen führen. Der Körper versucht, dies dann mit der Bildung neuer Blutgefässe zu kompensieren.
Diabetes mellitus
Bei der Zuckererkrankung kann es im Verlauf zu Netzhautschäden kommen (diabetische Retinopathie). Diese Gefahr besteht, wenn Betroffene schlecht eingestellte Blutzuckerwerte haben. Eiweiss und Fett lagern sich in den Gefässen, die die Netzhaut versorgen, ab. Dadurch kommt es zu einer Unterversorgung der Makula und einer entsprechenden Reaktion des Körpers.
Symptome von Neovaskularisation
Eine beginnende Neovaskularisation im Auge verursacht selten Symptome. Betroffene bemerken die Problematik deshalb meist erst sehr spät. Folgende Symptome können dann auftreten:
- Metamorphosien (Verzerrtsehen: gerade Linien erscheinen wellig)
- Leseschwierigkeiten
- Probleme beim Erkennen von Gesichtern
- Defekt des zentralen Gesichtsfeldes (dunkle Flecken erscheinen im Sehfeld)
- Sehschärfe nimmt rasch ab
Die Symptome können je nach Ursache unterschiedlich stark ausfallen und noch weitere Symptome mit sich ziehen.
Behandlung von Neovaskularisation
Bei der Behandlung einer Neovaskularisation ist es wichtig, dass diese so früh wie möglich diagnostiziert wird, um langfristige Schäden am Auge zu vermeiden. In der Ophthalmologie (Augenheilkunde) ist es heutzutage geläufig, eine intravitreale Injektion durchzuführen. Dabei spritzt ein erfahrener Augenspezialist einen Wirkstoff in den Glaskörper, der den Botenstoff VEGF hemmt und so die Neubildung weiterer Blutgefässe verhindert.
Neben dieser Behandlungsmethode können die Blutgefässe mit einem Laser verödet werden. Bei der sogenannten photodynamischen Therapie (PDT) wird zunächst ein Farbstoff in die Vene des Betroffenen injiziert, der sich im Auge anreichert und die krankhaften Blutgefässe deutlich abbildet. Diese kann der Augenarzt dann mit einem Laser veröden.
Eine Rückbildung der Neovaskularisation im Auge ist nach heutigem Kenntnisstand leider nicht möglich. Die Behandlung zielt darauf ab, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und das Sehvermögen so lange wie möglich zu erhalten oder sogar zu verbessern. In vielen Fällen muss die Behandlung mehrmals wiederholt werden.